Mt 9,9-13: Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder.
Im heutigen Evangelium berichtet Matthäus selbst von seiner eigenen Berufung durch Jesus. Er bezeichnet sich selbst als einen von Jesus gerufenen Zöllner, einen jener nicht sehr ehrlichen und verachteten Zöllner, die mit den besetzenden Römern kollaborierten. Die Zöllner, die von Jesus gerufenen Sünder, verursachen einen Skandal.
Matthäus stellt sich selbst als vergebenen und berufenen Zöllner vor und macht uns so verständlich, worin die Berufung zum Apostel besteht. Sie ist in erster Linie die Anerkennung der Barmherzigkeit des Herrn.
In den Schriften der Kirchenväter werden die Apostel oft als „Fürsten“ bezeichnet; Matthäus stellt sich nicht als Fürst vor, sondern als vergebener Sünder.
Und es ist gerade hier, wo die Grundlage des Apostolats liegt: die Barmherzigkeit des Herrn empfangen zu haben, die eigene Armut und Unzulänglichkeit verstanden zu haben, sie als „Ort“ akzeptiert zu haben, an dem die unermessliche Barmherzigkeit Gottes ausgegossen wird: „Barmherzigkeit will ich; ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder“.
Wer ein tiefes Gespür für die göttliche Barmherzigkeit hat, nicht abstrakt, sondern der es am eigenen Leib verspürt hat, der ist für ein echtes Apostolat bereit. Wer es nicht besitzt, kann, auch wenn er berufen ist, andere kaum wirklich berühren, weil er die Liebe Gottes, die barmherzige Liebe Gottes, nicht weitergeben kann. Der wahre Apostel ist, wie der heilige Paulus sagt, voller Demut, Sanftmut und Geduld, da er selbst Geduld, Sanftmut und göttliche Demut erfahren hat.
Heute feiert die Kirche den großen Evangelisten Matthäus, einen der Apostel, den Verfasser eines Evangeliums, das sich besonders an die Juden richtet, die Christen geworden sind. Aber sein Werk ist auch für uns heute ein großes Geschenk.
Als er das Evangelium schrieb war die Zerstörung des Tempels und Jerusalems bereits geschehen und hatte die Christen jüdischer Herkunft in tiefe Verzweiflung gestürzt. Was will Gott uns damit sagen, fragen sich nicht wenige der Juden. Und hier ist die Antwort des Matthäus: Der Tempel ist nicht mehr da, die Gegenwart Gottes ist weg, aber wir haben Jesus, den Emmanuel, den Gott mit uns.
Matthäus schreibt seinen Text, um die Gemeinde zu ermutigen und die Realität aus dem Glauben heraus zu interpretieren. Er ist also wie ein Schreiber, der es versteht, aus seiner Schatzkammer Neues und Altes zu schöpfen.
Das ist auch uns immer wieder aufgegeben: die Ereignisse im Licht der Botschaft des Evangeliums zu lesen und dadurch selber zu „Evangelisten“ für die Menschen zu werden, denen wir begegnen.
Bildquelle: File:Saint Matthew and the Angel MET 46C 048R5M.jpg – Wikimedia Commons