Die Comboni-Missionsschwester Gertrud Höggerl aus der Steiermark (Österreich) war schon bald nach ihrer Ordensausbildung für längere Zeit in Äthiopien tätig. Nun ist sie nach mehreren Jahren im Generalsekretariat ihrer Kongregation in Rom wieder in ihre Mission zurückgekehrt.
Äthiopien hat für mich nichts von seiner Faszination verloren. Seine geschichtsträchtige Vergangenheit, all die Besonderheiten seiner Landschaft, die verschiedenen Kulturen und Religionen verleihen diesem Land zweifellos eine einzigartige Prägung auf dem afrikanischen Kontinent. Bei meiner Rückkehr merke ich jetzt große Veränderungen. Es wird viel gebaut, Straßen werden verbreitert, der wirtschaftliche Fortschritt fällt auf. Das Leben ist nach wie vor nicht einfach, aber die Bevölkerung scheint vieles mit Geduld zu ertragen. Die Stimmung unter den Leuten ist zu einem großen Teil gelöst. Die Menschen sind zuversichtlich und erhoffen sich für die Zukunft eine echte, friedliche Stabilität für ihr Land. Die Menschen sind sehr religiös und man spürt, dass ihr Gebet in die Tiefe geht. Die Kirchen sind voll und auch mit jungen Menschen gefüllt. Das Christentum geht hier bereits auf das 4. Jahrhundert zurück, wobei die Mehrheit der Bevölkerung der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche angehört. Als Katholiken bilden wir neben den protestantischen Kirchen nur eine Minderheit von etwa zwei Prozent der Bevölkerung.
Schulbildung und Einsatz gegen Menschenhandel
Neben den Naturreligionen, die nur einen kleinen Teil ausmachen, gehören etwa dreißig Prozent der Bevölkerung dem Islam an. Die katholische Kirche versucht vor allem im Bereich der Schulbildung und im Gesundheitswesen einen Beitrag zum Wandel der Gesellschaft zu leisten. Deshalb betreiben wir Comboni-Missionsschwestern in verschiedenen Gebieten des Landes drei Schulen und zwei Krankenstationen. Ein weiterer Schwerpunkt unserer missionarischen Tätigkeit ist auch der Einsatz für Frauen im Kampf gegen den Menschenhandel, in dem sich eine unserer Mitschwestern engagiert. In diesem Bereich geht es zunächst um die Bildung von kleinen Gruppen von Aktivistinnen, die sich vor allem im kirchlichen Bereich als Frauen untereinander vernetzen und in ihrer Arbeit erst ein Bewusstsein für diese Form der Ausbeutung zu schaffen versuchen.
Ich selbst wohne und arbeite jetzt in der Hauptstadt Addis Abeba mit acht anderen Mitschwestern in einer internationalen Gemeinschaft. Wir kommen aus Äthiopien, Uganda, Italien, Spanien und Österreich, wobei einige von uns sich auch noch in vorgerücktem Alter in Haus und Garten nützlich machen. Die Mitschwestern aus unseren anderen Missionsstationen kommen immer wieder bei uns vorbei und berichten von ihrer Arbeit. So hat mir Schwester Nora Camacho, die aus Costa-Rica stammt, erst kürzlich von ihrem Einsatzort berichtet. Sie ist Schuldirektorin in HaroWato im Bergland im Süden des Landes. Es ist eine Gegend, wo die Landwirtschaft floriert und wo reichlich Kaffee angebaut wird. Bei rasch wachsenden Gemüsesorten kann man sogar mit zwei Ernten pro Jahr rechnen. Doch in dieser abgelegenen Lage sind die Straßenverhältnisse schlecht und die gesamte Infrastruktur sehr mangelhaft. Von der Stadt Hawassa wären es dorthin nur 70 Kilometer. Wo man von der asphaltierten Straße abzweigt, kommt man mit dem Auto nur mehr langsam voran und muss deshalb mit einer Fahrzeit von vier Stunden rechnen. Die Schlaglöcher und der Schlamm in der Regenzeit und die Staubwolken in der Trockenzeit sind eine große Herausforderung.
Die Schule, die von Schwester Nora geleitet wird, umfasst einen Kindergarten mit 190 Kindern, der in drei Gruppen geführt wird, eine Grundschule und eine Mittelschule bis zur 8. Schulstufe. In den meisten Klassen sind um die 60 Schülerinnen und Schüler. Wie in den anderen kirchlichen Schulen des Landes müssen die Gehälter der Lehrer und die Schulbücher mit den Einnahmen aus dem Schulgeld bezahlt werden, da die Regierung dafür nicht aufkommt. Für die ersten Klassen gibt es eine kleine Schulspeisung, damit die Kinder nicht mit leerem Magen in den Klassenzimmern sitzen müssen. Die größeren Kinder können sich bei Bedarf selbst eine Kleinigkeit kaufen. Um die Einnahmen der Schule aufzubessern, wird auf dem Feld hinter der Schule Getreide angebaut. Bald sollen dort auch Kaffeesträucher gepflanzt werden. Mit unserem Angebot an Schulbildung leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft in Äthiopien. Für uns ist das auch eine Gelegenheit, den Kindern und ihren Eltern christliche Werte zu vermitteln und für die jungen Menschen eine Basis für eine bessere Zukunft zu schaffen.
Schwester Gertrud Höggerl, CMS