Mitgliederversammlung 2022 der Deutschen Ordensobernkonferenz in Bonn

Vom 16. bis 18. Mai trafen sich in Bonn rund 115 Ordensoberinnen und –obere zur diesjährigen Mitgliederversammlung der Deutschen Ordensobernkonferenz. Nachdem Corona bedingt zwei Jahre keine Präsenzveranstaltung stattfinden konnte, war es für alle eine gute Gelegenheit sich auszutauschen und neue Gesichter kennenzulernen.

Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) vertritt die Interessen der Ordensgemeinschaften in Deutschland mit rund 11.800 Ordensfrauen und rund 3.400 Ordensmännern, die in etwa 1400 klösterlichen Niederlassungen leben.

Katharina Kluitmann, die seit 2018 den Vorsitz der DOK innehatte, stellte den Bericht des Vorstandes vor, der stark geprägt war von der Missbrauchsthematik in der Kirche und den Einschränkungen der Corona-Pandemie. Neben den Diözesen beteiligen sich inzwischen 74 Ordensgemeinschaften an dem erweiterten Verfahren zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch, in dessen Zusammenhang den Betroffenen bisher etwa 1,2 Mio EUR zugesprochen wurde. Eine besondere Herausforderung, so Sr. Katharina, war es, die Richtlinien der Diözesen an die Bedürfnisse der Orden anzupassen, da die Ordensgemeinschaften sehr verschieden strukturiert sind. Der Vorstand arbeitet mit beim Erstellen verschiedener Richtlinien und Handreichungen und vertritt die Interessen der Orden in verschiedenen Kommissionen und Arbeitsgruppen der Diözesen Deutschlands.

Die weltkirchliche Arbeit wird begleitet von der Konferenz missionierender Orden (KMO). Von den 400 Mitgliedern der DOK zählen sich 93 Gemeinschaften zu den missionierenden Orden. Derzeit sind mehr als 1000 Ordensleute missionarisch im Ausland tätig. Die missionierenden Ordensgemeinschaften möchten zu den derzeitigen gesellschaftlichen Diskussionen zum Thema koloniales Erbe ihre eigenen Positionen darstellen. Deshalb erarbeiteten die KMO und der DOK-Vorstand im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2021 einen Entwurf für das Projekt „Missionsgeschichtliche Sammlungen“. Im Dezember 2021 wurde das Institut für Weltkirche und Mission (IWM) in Frankfurt, St. Georgen, mit der Durchführung des Projektes beauftragt. Vom 1. bis 3. Juni wird es an der Ruhr-Universität Bochum eine Veranstaltung geben, die zum Ziel hat, verschiedene Akteure und Akteurinnen zusammenzubringen und die Situation der Sammlungen sowie mögliche Perspektiven für zukünftige Kooperationen zu diskutieren. Nach einer Umfrage gibt es in Deutschland bei den Orden etwa 64 Sammlungen von Missionsgeschichtlicher Bedeutung, die oft irgendwo „verstauben“.

Im Jahr 2020 hat der DOK Vorstand auch das Projekt Freiwilliges Ordensjahr auf die Beine gestellt und in den zwei Jahren haben etwa fünfzig Personen daran teilgenommen.

Im Rahmen der DOK Mitgliederversammlung wurde am Dienstag ein neuer Vorstand gewählt. Neuer Vorsitzender der DOK ist Br. Andreas Murk OFMConv, Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten Provinz St. Elisabeth. Br. Andreas wurde 1983 in Dettelbach geboren. Er trat 2003 in die Ordensgemeinschaft ein, studierte Theologie in Würzburg und Washington, und wurde 2010 zum Priester geweiht. Er leitet die Provinz St. Elisabeth seiner Ordensgemeinschaft seit Herbst 2019.

DOK Mitgliederversammlung 2022 – Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl referierte vor den versammelten Ordensoberinnen und Ordensobern zu ethischen Grenzfragen

 

Im Studienteil der Tagung ging es um Grenzfragen theologischer Ethik. Die Versammlung diskutierte die Konsequenzen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils vom Februar 2020, das in Deutschland neben dem Recht auf Selbsttötung auch eine Suizidassistenz möglich macht. Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Mitglied des Deutschen Ethikrates, rief in diesem Zusammenhang in Erinnerung, dass ein „diakonieethischer Imperativ“ zur katholischen Identität gehöre: Auch in extremen Situationen der Not, wie sie ein Suizid darstelle, gelte es, bei den Menschen zu bleiben und ihnen auch in – vielleicht befremdliche – Lebenswelten nachzugehen. Dies bedeute auch, dass Todeswünsche ernst zu nehmen seien. Er plädierte für den unbedingten Respekt vor dem Letztentscheid von Betroffenen. Zugleich gelte es jedoch stets, die „Sichtachsen auf das Leben“ offenzuhalten und für Menschen in diesen Situationen einen „palliativ-barmherzigen Schutzraum“ zu schaffen, der diese Perspektive ermögliche. Dies sei eine besondere Aufgabe kirchlicher caritativer Einrichtungen. Den Gesetzgeber forderte Lob-Hüdepohl auf, für eine Stärkung der Suizidprävention Sorge zu tragen. Es gelte, Normalisierungstendenzen durch Regelangebote in der Suizidbeihilfe zu verhindern. Zwar könne ein krankheitsbedingter Suizid „letzter Ausdruck äußerster Freiheit“ sein, allerdings warnte er vor Verharmlosung oder gar Heroisierung einer solchen Entscheidung.

Seitens eines der großen caritativen Träger im Ordenskontext bekannte sich Dr. Albert-Peter Rethmann, Sprecher der Geschäftsführung der BBT-Gruppe (Barmherzige Brüder Trier) zum Einsatz für die Verletzlichen, Alten und Schwachen.

Die Versammlung blickte auch auf ethische Fragestellungen, die im Zusammenhang der zurückliegenden zwei Jahre der Corona-Pandemie drängend geworden sind. Prof. Lob-Hüdepohl beschrieb die Pandemie als Landschaft „tragischer Priorisierungsentscheidungen“. In vielfältigen Entscheidungskonflikten seien „Güterabwägungen“ notwendig geworden. An der einen Stelle zu priorisieren, bedeute jedoch stets, anderes hintanzustellen. Neben ethischen Fragen im Zusammenhang mit medizinischer Triage und der Frage nach einer Impfpflicht verwies er vor allem auf psychosoziale und gesundheitliche Begleitschäden, die die Lockdowns mit sich gebracht hätten. Zu blicken sei hier in besonderer Weise auf Personen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe, der Sozialpsychiatrie und in Pflegeheimen, denen Besuche weitgehend vorenthalten und für die nahezu sämtliche Freizeit-, Arbeits-, Bildungs- und Therapie-Angebote eingestellt wurden. Gerade hier sei große Verletzlichkeit deutlich geworden, aber auch die Fähigkeit, in extremen Situationen zu widerstehen. Dieses „Resilienz“ in „Situationen (strukturellen) Verletzt-Seins und Verletzt-Werdens“ gelte es für die Zukunft verstärkt in den Blick zu nehmen. Einrichtungen, die sich in der Pandemie als verletzlich erwiesen hätten, müssten personell und strukturell gestärkt werden. Dies gelte auch und gerade für Einrichtungen, die sich um Kinder und Jugendliche kümmern.

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