Das Wunder im leeren Stall

Als den Hirten in jener geheimnisvollen Nacht die Engel erschienen und die Botschaft von der Geburt des Messias verkündeten, da wandte er sich ab und weigerte sich ‚, mit den anderen zu gehen, „um das Ereignis zu sehen, das der Herr uns verkünden ließ.“

Er blieb allein zurück und dachte bei sich: „Lauft nur!  Ihr werdet schon merken, dass diese himmlischen Stimmen nichts anderes als leere Einbildung waren.  Der Messias, der Retter, der Herr – das sind doch alles nur fromme Redensarten.“

Während er so vor sich hersinnierte und versuchte, sein Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen, da stiegen noch andere Gedanken in ihm auf. Es war ganz still geworden. „Und wenn ich mich getäuscht hätte, wenn es doch keine Einbildung gewesen wäre, wenn es das Wunder tatsächlich geben sollte?“

Da nimmt er seine Krücken und geht mühsam den Spuren der anderen nach.  Länger als gedacht war er unterwegs und als er endlich beim Stall ankam, war dieser leer. Jetzt wusste er, dass alles nur ein Spuk war. Eben, als er den Stall wieder verlassen wollte, blickte er nochmals zur Krippe und entdeckte eine kleine Kuhle, wo ein Kind gelegen hatte. Was ihm jetzt geschah, konnte er nicht mit Worten beschreiben.  Mochten die anderen das Kind – in Windeln gewickelt – in der Krippe gesehen haben, für ihn war diese Mulde im Stroh Zeichen genug. Lange war er einfach da.

Als er wieder aufbrach, um zu seinem Lagerteuer zurückzukehren, da dämmerte bereits der Morgen.  Er beeilte sich, er wollte zurücksein, ehe die anderen kamen. Als er aber zur Feuerstelle zurückkam, merkte er, dass er die Krücken im Stall vergessen hatte.

Auch wir haben in diesem Jahr – wie die Hirten auf den Feldern von Bethlehem – die Botschaft gehört: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; es ist der Messias, der Herr“ (Lk 2, 11).

Können wir es fassen, dass damit auch wir, die wir heute leben, gemeint sind?  Oder geht es uns wie dem gelähmten Hirten, der zunächst nicht glauben konnte, dass auch ihm das Wunder der Geburt von Bethlehem gilt?

Die Legende endet mit der Feststellung, dass der Hirt nun ohne Krücken laufen kann, er hat, was ihn belastet an der Krippe zurückgelassen und ist als freier Mensch in seinen Alltag aufgebrochen. Was sind das für Krücken, mit denen wir ständig durchs Leben gehen?
Die Legende ist eine Einladung an uns, die Krücken unseres Glaubens unter die Arme zu nehmen und aufzubrechen.  Und wenn wir – wie einst der lahme Hirte – scheinbar nur Hinweise auf die Geburt Jesu finden und dabei singend, betend und feiernd verweilen, dann kann auch uns die Erfahrung zuteil werden, für die uns eigentlich die Worte fehlen:

Gott hat auch den leeren Stall meines Herzens erwählt, um dort geboren zu werden.

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