Lk 7,36-50: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt.
Jesus will die Sünderin und Simon den Pharisäer retten. Beide. Beide bieten sich anderen an: Die Frau gibt sich selber auf, um zu überleben, und erträgt das harte Urteil der Frommen und religiösen Männer.
Simon sucht nach Anerkennung und zeigt seine Aufgeschlossenheit, indem er den umstrittenen Rabbi einlädt, der die Pharisäer verspottet.
Und Jesus rettet sie beide mit seinem Feingefühl: Er geht bei der Frau, die eine Reihe zweideutiger und missverstehbarer Gesten vollführt, über den Schein hinaus. Das Haar herunterzulassen war eine intime Geste, die dem eigenem Ehemann vorbehalten war, und es war undenkbar, dies in der Öffentlichkeit zu tun.
Aber in ihrer Geste liegt keine Verführung, sondern nur das Fehlen anderer Ausdrucksformen: Es ist die einzige wenn auch zweideutige Sprache, die die Frau kennt. Jesus kennt und schätzt sie, geht über den Schein hinaus und nimmt die Geste als Ausdruck der Liebe an.
Simon ist ein wunderbarer Mensch, aber er urteilt scharf. Seine verdrehte Argumentation führt zu einer Gewissheit: Jesus ist mit Sicherheit kein Prophet, sonst würde er sich nicht von Frauen derart beschmutzen lassen. Um ihn zu retten, appelliert Jesus, wie Nathan es bei David getan hat, an seine Gerechtigkeit, ohne ihn zu demütigen, ohne ihn zu tadeln: Simon wird es sein, der Simon richten wird. Brillant.