Diese Aussage stimmt nicht nur für heute, sondern schon vor 2000 Jahren waren die religiösen Traditionen im Judentum nicht frei von Geldgeschäften und prägten die Frömmigkeit des Volkes. Jesus durchschaute das unechte Spiel mit den Glaubenspraktiken, die den frommen Schein des langen Betens vorgaben und sich dafür bezahlen ließen, jedoch stellte es eine Ausnützung der einfachen armen Leute dar.
Die Religionsführer wussten sich mit kostbaren Talaren zu schmücken, um in der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und so ihren ersten Rang auf den Marktplätzen signalisierten und dafür Aufmerksamkeit und Anerkennung als bedeutende Person einheimsten. Nur Getue, bloßes groß Aufspielen würden wir das nennen, nichts Echtes dahinter.
Auch die katholische Kirche unterlag im Spätmittelalter der Versuchung, sich Frömmigkeitsdienste bezahlen zu lassen, um in Rom die protzigen Renaissancepaläste zu bauen und man nannte es Almosen.
Diese Vermischung von Dienst mit Geld ist für den Glauben verhängnisvoll. So wird aus einem echten Dienst am Volk durch Pfarrer ein weltliches Geschäft und eine verweltlichte Kirche. Dies ist auch deshalb ungut, weil Geld in der Gesellschaft und Kirche immer etwas mit Herrschaft zu tun hat und Machtherrschaft und Machtmissbrauch im Gefolge hat.
Jesus beobachtete genau das fromme Geschäft und erkannte große Unterschiede. Er sah auch das gute Werk einer armen Witwe, deren Haus leer gefressen wurde und trotzdem den Mut aufbrachte, von ihrer Armseligkeit zu spenden, was eigentlich über ihre Lebensverhältnisse ging. Jesus sieht, dass die Reichen nur von ihrem Überfluss gegeben haben, „sie aber hat aus ihrer Darbnis ihre ganze Habe eingeworfen – alles, was sie zum Leben hatte.“ (Mk 12,44) Was für ein kontrastreiches Verhalten damals und wahrscheinlich auch heutige Wirklichkeit.
Charlotte Sachs
2.11. 2021