Warum Rinder nicht sprechen können

Vor langer Zeit glaubte man, dass das Volk der Pokot, die im Nordwesten Kenias – an der Grenze nach Uganda leben, den Rindern sehr ähnlich war, weil sie dieselbe Sprache verstanden, miteinander sprachen und es liebten, einander Gesellschaft zu leisten.

Sie teilten Aufgaben untereinander auf, und wann immer es ein Problem zu besprechen gab, taten sie dies während der langen Nachtstunden. Nahrung war nie ein Problem für sie, da wilde Tiere einfach von den Bergen herunter und Fische durch die Flüsse zu ihnen kamen. Sie feierten oft Feste, und bei diesen Gelegenheiten waren es immer die Rinder, die nachts den Tanz um ein großes Feuer anführten. Das Leben war gut unter ihnen, und es herrschte Frieden im Land.

Eines Tages geschah es, dass das Kind eines Mannes krank wurde. Weil sie alle Freunde waren, kam eine Kuh, um zu sehen, wie es dem Kind ging. Es war in einem sehr schlechten Zustand, und am nächsten Tag wurde ein Prophet konsultiert. Der Prophet sagte ihnen dann, dass die einzige Heilung für die Krankheit des Jungen darin bestünde, ein Kalb zu schlachten, um den Fluch zu brechen, der auf dem Jungen lag. Der Mann ging also zu der Kuh und erzählte ihm, was der Prophet gesagt hatte. Weil sie so gute Freunde waren und weil ein Blutopfer Teil ihrer Kultur war, stimmte die Kuh zu und schenkte dem Mann ihr Kalb.

Das Einzige, was die Kuh von dem Mann verlangte, war, dass er das Kalb mit einem scharfen Stein schlachten und keinen seiner Knochen brechen sollte, und schließlich, dass die Zunge und die Leber des Kalbes der Kuh zurückgegeben werden sollten, damit sie es begraben konnte. Der Mensch versprach dies der Kuh, machte sich aber auf den Heimweg und missachtete alles, was die Kuh von ihm verlangte. Er tötete das Kalb mit einem Speer statt mit einem Stein, er brach viele seiner Knochen und schließlich warf er seine Zunge und Leber weg.

Am nächsten Tag kam die Kuh zum Haus des Mannes, um zu sehen, wie alles gelaufen war, und um die Zunge und die Leber des Kalbes zu holen. Als sie ankam, sah sie sofort all die schrecklichen Dinge, die der Mensch getan hatte. Darüber wurde die Kuh sehr ärgerlich und ihre Freundschaft zerbrach völlig.

Nach einer Weile begann der Mann, seine Freundin sehr zu vermissen, und schließlich ging er zu der Kuh, um ihr zu sagen, dass es ihm leid tat. Er nahm sogar etwas Honig mit, um ihn der Kuh auf die Zunge zu legen, damit sie ihn genießen konnte, aber sie wollte nichts davon wissen. Sie war so wütend auf den Menschen, dass sie sich weigerte, den Honig anzunehmen oder ihr Maul zu öffnen, denn das alles erinnerte sie an die Zunge ihres Kalbes, die so achtlos weggeworfen wurde.

Das ist der Grund, warum Rinder nicht wie Menschen Honig essen. Und weil die Kuh sich so lange weigerte, zu sprechen oder ihr Maul zu öffnen, verloren alle Rinder ihre Fähigkeit zu sprechen. Seit diesem Tag verbindet Menschen und Rinder keine besondere Freundschaft mehr.

(Volksmärchen vom Volk der Pokot)

Übersetzung eines Beitrags in Combonimissionaries Newsletter vom 3. September 2020

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