Mission der Versöhnung im Südsudan

Mission der Versöhnung im Südsudan

Auch zehn Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung leidet der Südsudan noch immer unter dem Drama des Bürgerkriegs. Die Versöhnung zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen ist zu einer wichtigen Aufgabe für die Kirchen im Südsudan geworden.

Die Comboni-Missionare wurden 1998 vom Bischof der Diözese Malakal eingeladen, Katholiken zu begleiten, die verstreut in den Dörfern der Fangak-Region im Süden, in den Feuchtgebieten und Sümpfen des Nils leben. Wir Missionare besuchen die Menschen regelmäßig in ihren Dörfern. Wir gehen zu Fuß zu weit entfernten Kapellen, die bis zu vier Tage vom Pfarrzentrum entfernt sind, da es keine Straßen gibt. Das Gemeindegebiet ist riesig, etwa fünfmal so groß wie der Großraum London.

Wege, die nicht benutzt werden, verschwinden innerhalb weniger Wochen in der unaufhaltsam wachsenden Vegetation. Die Hälfte des Jahres überschwemmen das Wasser des Nils und die Regenfälle die Region und machen sie flach wie eine Scheibe. Es gibt keine Erhebungen außer Termitenhügeln. Auf unseren Wanderungen durchqueren wir Gewässer, die uns bis zum Hals reichen. Tropenkrankheiten gehören zum Alltag, und sicheres Trinkwasser ist selten.

Die Nahrungsgrundlage der Nuer besteht aus Sorghum (Hirse) mit Milch oder Fisch. Sie pflanzen und ernten mit Handwerkzeugen, da der Ochsenpflug in dieser Region noch nicht eingeführt wurde. Außerdem gibt es kein Telefon-/Mobilfunknetz, keinen Postdienst, kein Stromnetz – wir sind auf Solarenergie angewiesen – und keinen lokalen Radiosender; nur über Kurzwellenradio kann man BBC und Vox of America empfangen.

Die Hauptaufgabe der Missionare ist die Ausbildung von Katechisten in ihren Gemeinden. Unsere Gemeindemitglieder haben einen starken, aufrichtigen Glauben, aber wenig christliche Bildung. Wir bieten das Katechumenat für die Erwachsenen an, die Christen werden wollen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung des Bezirks Fangak ist inzwischen getauft. Es gibt viele Anhänger traditioneller Religionen, die sich zum Christentum hingezogen fühlen. Wir bieten Bildungsprogramme in Nuer und Englisch an, da mehr als 95 % der Bevölkerung in diesem Teil des Südsudan aufgrund ihrer Isolation Analphabeten sind (landesweit liegt die Analphabetenrate bei etwa 75 %).

Seit 2014 betreiben wir im Gemeindezentrum eine Grundschule. Bislang haben rund 250 Schüler der achten Klasse einen Abschluss gemacht. Das ist ein zartes Pflänzchen, aber bedeutsam, wenn man bedenkt, dass weniger als ein Prozent der Bevölkerung des Bezirks einen Grundschulabschluss hat. Aufgrund des jüngsten Bürgerkriegs ist die Versöhnung zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen zu einer wichtigen Aufgabe geworden, nicht nur für uns, sondern für alle Kirchen im Südsudan.

Für die katholische Bischofskonferenz des Südsudan ist es schwer, die Kriegsparteien zu erreichen und Einfluss zu gewinnen, da viele Bischofssitze vakant sind. Darüber hinaus ist die ethnische Zugehörigkeit immer noch ein wichtiger Aspekt der Identität der Katholiken und der Christen im Allgemeinen, ebenso wie bei den Kirchenführern. In diesem schwierigen Spannungsfeld zwischen kultureller und religiöser Identität hat der ökumenische Südsudanesische Kirchenrat, zu dessen Gründungsmitgliedern die katholische Kirche gehört, einen Weg zur nationalen Versöhnung bereitet.

In unserer Gemeinde hat der Krieg nur die Randgebiete des Bezirks Fangak erreicht, mit Ausnahme der Hauptstadt New Fangak. Andere Gebiete waren nicht direkt von den Kämpfen oder der Vertreibung betroffen. Bedingt ist dies durch die Abgeschiedenheit des Gebiets in den Nilsümpfen und durch die fehlenden Straßenverbindungen. In unserer Diözese, auf deren Gebiet ein Großteil der Kämpfe und Zerstörungen stattfand, ist unsere Pfarrei die einzige, die in all den Jahren nicht geschlossen werden musste. In allen anderen Pfarreien der Diözese Malakal wurde die Arbeit für mehrere Jahre eingestellt. Dennoch hat jede Nuer-Familie in unserer Gemeinde Angehörige im Krieg verloren. Weil der Feind ihnen im Nacken sitzt, aber immer noch beruhigend weit weg ist, sieht unsere Versöhnungsarbeit anders aus als in einer Pfarrei mit gemischten feindlichen Gruppen.

Unsere Nuer-Katholiken beten in der Messe in der Sprache der Dinka als Zeichen der nationalen Versöhnung. Auf der lokalen Ebene des Clankonflikts geht die traditionelle Versöhnung Hand in Hand mit dem christlichen Gebet. Unsere aktiven Gemeindemitglieder sind merklich weniger gewalttätig als der Durchschnitt der Nuer. Das kirchliche Leben ist wie ein Schutzraum, in dem ein neuer, friedlicher Lebensstil gepflegt wird. Die katholische Kirche ist dafür bekannt und beliebt, dass Meinungsverschiedenheiten ohne Gewalt beigelegt werden.

Im Gegensatz zu traditionellen Festen und Versammlungen sind Waffen und Alkohol auf dem Kirchengelände nicht erlaubt. Jeder, der an diesem „alternativen Lebensstil“ interessiert ist, kann sich uns anschließen. Ein traditionelles Fest verläuft oft Gefahr, in Blutvergießen zu enden, weil sich Jugendliche (Männer) gegenseitig verletzen oder töten. Entweder muss ein früherer Angriff gerächt werden oder es wird unter Alkoholeinfluss ein neuer Streit begonnen.

Darüber hinaus prägen wir in unseren Predigten und Gesprächen den Gedanken der unantastbaren Menschenwürde, denn jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes. Das Wort Würde lässt sich nur unzureichend ins Nuer übersetzen. Zur Veranschaulichung erklären wir, dass jeder andere Menschen zutiefst respektieren muss, auch wenn es sich um Frauen oder um Fremde von einem anderen Stamm handelt. Die Geschichten von Jesus in den Evangelien helfen, diese Botschaft zu unterstreichen. Im Südsudan gibt es keine säkulare Gesellschaft. Deshalb haben internationale Friedensprogramme, die immer an die Vernunft appellieren und die Menschenrechte betonen, vor Ort wenig Wirkung, weil sie die Dynamik der ethnischen und religiösen Identitäten der Menschen nicht verstehen oder sie negieren.

Als Missionare machen wir unsere Zuhörer mit dem Evangelium bekannt. Ein Jünger Jesu ist dazu berufen, den Vater nachzuahmen und den Nächsten zu lieben, sogar den Feind. Es geht um eine Änderung der Mentalität, so dass nicht mehr die ethnische Zugehörigkeit oder der Clan darüber entscheidet, wem man vertrauen kann oder nicht. Das Evangelium und die Bibel zeigen deutlich, was einen gerechten, ehrlichen Menschen ausmacht. Dies sollte der Maßstab für den Aufbau einer gerechten und friedlichen Gesellschaft sein.

Eine friedliche und versöhnliche Haltung ist die Stärke der Kirche und der Missionare. Wir leben mit „unserem“ Volk und leiden mit ihm. Jesus Christus hat die Menschen verändert und bekehrt, indem er konkret liebte und sich zum Diener aller machte. Wir Missionare bemühen uns, die Sprache und Kultur zu lernen und ihre Wege im wörtlichen und übertragenen Sinne zu gehen. Die Menschen honorieren das, und sie sind bereit, sich für die Perspektive des Evangeliums zu öffnen, weil wir uns für ihre Perspektive geöffnet haben. Geduld ist gefragt. Jesus erklärt, dass das Reich Gottes wie ein Baum wächst, langsam aber stetig.

Comboni Missionaries‘ Team

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