Geht und ladet alle zum Hochzeitsmahl ein (vgl. Mt 22,9)
Liebe Brüder und Schwestern!
Für den diesjährigen Weltmissionssonntag habe ich das Thema aus dem Gleichnis des Evangeliums vom Hochzeitsmahl entnommen (vgl. Mt 22,1-14). Nachdem die Gäste die Einladung ausgeschlagen haben, sagt der König, die Hauptfigur der Geschichte, zu seinen Dienern: »Geht also an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein« (V. 9). Wenn wir über dieses Schlüsselwort im Gleichnis und im Leben Jesu nachdenken, können wir einige wichtige Aspekte der Evangelisierung näher beleuchten. Sie erweisen sich für uns alle, die wir missionarische Jünger Christi sind, als besonders aktuell in dieser letzten Phase des synodalen Prozesses, der gemäß dem Motto „Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ die Kirche wieder auf ihre vorrangige Aufgabe, nämlich die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute ausrichten soll.
1. „Geht und ladet ein!“. Mission als unermüdliches Hinausgehen und Einladen zum Fest des Herrn
Am Anfang der Anordnung des Königs an seine Diener stehen die beiden Verben, die den Kern der Mission zum Ausdruck bringen: „gehen“ und „rufen“ im Sinne von „einladen“.
Was das erste Verb betrifft, so ist daran zu erinnern, dass die Diener bereits zuvor ausgesandt worden waren, um den Gästen die Botschaft des Königs zu überbringen (vgl. VV. 3-4). Dies zeigt uns, dass die Mission ein unermüdliches Hinausgehen zu allen Menschen ist, um sie zur Begegnung und zur Gemeinschaft mit Gott einzuladen. Unermüdlich! Gott, der groß an Liebe und reich an Erbarmen ist, geht stets hinaus zu jedem Menschen, um ihn trotz Gleichgültigkeit oder Ablehnung in die Glückseligkeit seines Reiches zu rufen. So ging Jesus Christus, der gute Hirte und Abgesandte des Vaters, auf die Suche nach den verlorenen Schafen des Volkes Israel und wollte auch noch weiter hinausgehen, um selbst die entferntesten Schafe zu erreichen (vgl. Joh 10,16). Er sagte zu den Jüngern sowohl vor als auch nach seiner Auferstehung: „Geht!“ So band er sie in seine eigene Sendung mit ein (vgl. Lk 10,3; Mk 16,15). Deshalb wird die Kirche weiterhin über alle Grenzen gehen, immer wieder hinausgehen, ohne müde zu werden oder angesichts von Schwierigkeiten und Hindernissen den Mut zu verlieren, um die vom Herrn empfangene Sendung treu zu erfüllen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den Missionaren und Missionarinnen zu danken, die dem Ruf Christi gefolgt sind und alles verlassen haben, um fern ihrer Heimat die Frohe Botschaft dorthin zu bringen, wo die Menschen sie noch nicht oder erst vor kurzem empfangen haben. Liebe Freunde, eure großherzige Hingabe ist ein konkreter Ausdruck des Einsatzes für die Mission ad gentes, die Jesus seinen Jüngern anvertraut hat: »Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern« (Mt 28,19). Beten wir also weiterhin und danken wir Gott für die neuen und zahlreichen missionarischen Berufungen zum Dienst der Evangelisierung bis an die Enden der Erde.
Und vergessen wir nicht, dass jeder Christ gerufen ist, das Evangelium in jedem Umfeld zu bezeugen und mitzuwirken an dieser universalen Sendung, so dass die ganze Kirche beständig mit ihrem Herrn und Meister zu den „Kreuzungen der Straßen“ der heutigen Welt hinausgeht. Ja, »das Drama der Kirche besteht heute darin, dass Jesus weiter an die Tür klopft, aber von innen, damit wir ihn hinauslassen! Oft enden wir als eine […] Kirche, die den Herrn nicht nach draußen lässt, die ihn als „ihr Eigentum“ zurückhält, während der Herr mit einem Auftrag für uns gekommen ist und will, dass wir missionarisch sind« (Ansprache an die Teilnehmer der Konferenz der Vorsitzenden und Beauftragten der Kommissionen für die Laien der Bischofskonferenzen, 18. Februar 2023). Seien wir alle, die wir getauft sind, bereit, wieder hinauszugehen, jeder seiner eigenen Lebenssituation entsprechend, um eine neue missionarische Bewegung zu starten, wie zu den Anfängen des Christentums!
Kehren wir zurück zur Anordnung des Königs an die Diener im Gleichnis. Dort ist das Hinausgehen mit dem Rufen oder, genauer gesagt, dem Einladen verbunden: »Kommt zur Hochzeit!« (Mt 22,4). Dies deutet auf einen anderen, nicht weniger wichtigen Aspekt der von Gott übertragenen Sendung hin. Wie man sich vorstellen kann, übermittelten diese Diener als Boten die Einladung des Herrschers mit Dringlichkeit, aber auch mit großem Respekt und Höflichkeit. Ebenso muss die Mission, das Evangelium allen Geschöpfen zu überbringen, notwendigerweise der Art und Weise dessen entsprechen, der da verkündet wird. Wenn die missionarischen Jünger der Welt »die Schönheit der heilbringenden Liebe Gottes, die sich im gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus offenbart hat« verkünden (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 36), so tun sie dies mit der Frucht des Heiligen Geistes: mit Freude, Langmut, Freundlichkeit (vgl. Gal 5,22); ohne Zwang, Nötigung, Proselytismus; immer mit Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit, die die Art und Weise widerspiegeln, wie Gott ist und handelt.
2. Beim Hochzeitsmahl. Die eschatologische und eucharistische Perspektive der Sendung Christi und der Kirche
Im Gleichnis bittet der König die Diener, die Einladung zum feierlichen Mahl anlässlich der Hochzeit seines Sohnes zu überbringen. Dieses Festmahl spiegelt das eschatologische wider, es ist ein Bild für das endgültige Heil im Reich Gottes, das schon jetzt mit dem Kommen Jesu als Messias und Sohn Gottes verwirklicht ist, der uns das Leben in Fülle geschenkt hat (vgl. Joh 10,10). Diese Fülle ist symbolisiert durch den mit »feinsten, fetten Speisen, mit erlesenen, reinen Weinen« gedeckten Tisch, wenn Gott »den Tod für immer verschlungen« hat (vgl. Jes 25,6-8).
Die Sendung Christi ist es, die Fülle der Zeit heraufzuführen, wie er zu Beginn seiner Verkündigung erklärte: »Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe« (Mk 1,15). Die Jünger Christi sind also berufen, eben diese Sendung ihres Herrn und Meisters fortzusetzen. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang an die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über den eschatologischen Charakter des missionarischen Engagements der Kirche: »Die Zeit der missionarischen Tätigkeit liegt also zwischen der ersten Ankunft des Herrn und seiner Wiederkunft […]. Bevor nämlich der Herr kommt, muss allen Völkern die frohe Botschaft verkündigt werden« (Dekret Ad gentes, 9).
Wir wissen, dass der missionarische Eifer der frühen Christen eine starke eschatologische Dimension hatte. Sie spürten die Dringlichkeit, das Evangelium zu verkünden. Auch heute ist es wichtig, diese Perspektive im Auge zu behalten, denn sie hilft uns, das Evangelium mit der Freude derer zu verkünden, die wissen »der Herr ist nahe« und mit der Hoffnung derer, die auf das Ziel hin ausgerichtet sind, alle mit Christus bei seinem Hochzeitsmahl im Reich Gottes zu sein. Während die Welt also die verschiedenen „Festmähler“ des Konsums, des egoistischen Wohlstands, des Anhäufens und des Individualismus bietet, ruft das Evangelium alle zum göttlichen Festmahl, bei dem Freude, Teilen, Gerechtigkeit und Geschwisterlichkeit herrschen, in der Gemeinschaft mit Gott und mit den anderen.
Diese Fülle des Lebens, die ein Geschenk Christi ist, wird schon jetzt im Festmahl der Eucharistie vorweggenommen, das die Kirche auf Geheiß des Herrn zu seinem Gedächtnis feiert. Und so ist die Einladung zum eschatologischen Festmahl, die wir in der Verkündigung des Evangeliums allen überbringen, innerlich mit der Einladung zum eucharistischen Tisch verbunden, an dem der Herr uns mit seinem Wort und mit seinem Leib und Blut nährt. Wie Benedikt XVI. gelehrt hat, »verwirklicht sich auf sakramentale Weise in jeder Eucharistiefeier die eschatologische Zusammenkunft des Gottesvolkes. Das eucharistische Mahl ist für uns eine reale Vorwegnahme des endgültigen Festmahles, das von den Propheten angekündigt (vgl. Jes 25,6-9) und im Neuen Testament als „Hochzeitsmahl des Lammes“ (vgl. Offb 19,7-9) beschrieben wird; es soll in der Freude der Gemeinschaft der Heiligen gefeiert werden« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Sacramentum Caritatis, 31).
Deshalb sind wir alle dazu aufgerufen, jede Eucharistiefeier in all ihren Dimensionen, insbesondere in der eschatologischen und missionarischen, intensiver mitzuerleben. Ich bekräftige in diesem Zusammenhang: »Wir können nicht zum eucharistischen Mahl hinzutreten, ohne uns in die Bewegung der Sendung hineinziehen zu lassen, die vom Innersten Gottes selbst ausgehend darauf abzielt, alle Menschen zu erreichen« (ebd., 84). Die eucharistische Erneuerung, die viele Ortskirchen in der Post-Covid-Zeit in lobenswerter Weise fördern, wird auch grundlegend sein, um den missionarischen Geist in einem jeden Gläubigen wiederzuerwecken. Wie viel gläubiger und beherzter sollten wir bei jeder Messe den Ausruf sprechen: »Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit«!
In dieser Perspektive möchte ich in diesem Jahr, das dem Gebet zur Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2025 gewidmet ist, alle einladen, auch und vor allem die Teilnahme an der Messe wie auch das Gebet für den Evangelisierungsauftrag der Kirche zu intensivieren. Gehorsam gegenüber dem Wort des Erlösers hört sie nie auf, in jeder eucharistischen und liturgischen Feier das Gebet des Vaterunsers mit der Anrufung »Dein Reich komme« an Gott zu richten. Und so machen uns das tägliche Gebet und besonders die Eucharistie zu Pilgern und Missionaren der Hoffnung, die auf dem Weg zum ewigen Leben in Gott sind, zu dem Hochzeitsmahl, das Gott für alle seine Kinder bereitet hat.
3. „Alle“. Die weltweite Sendung der Jünger Christi und die gänzlich synodal-missionarische Kirche
Die dritte und letzte Überlegung betrifft die Empfänger der Einladung des Königs: »alle«. Wie ich bereits sagte, ist das »das Herz der Mission: dieses „alle“. Ohne jemanden auszuschließen. Alle. Jede unserer Missionen entspringt also dem Herzen Christi, damit er alle an sich ziehen kann« (Ansprache an die Teilnehmer an der Vollversammlung der Päpstlichen Missionswerke, 3. Juni 2023). Auch heute, in einer von Spaltungen und Konflikten zerrissenen Welt, ist das Evangelium Christi die sanfte und kraftvolle Stimme, die die Menschen dazu aufruft, einander zu begegnen, sich gegenseitig als Geschwister anzuerkennen und sich an der Harmonie zwischen den Unterschieden zu erfreuen. Gott will, »dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen« (1 Tim 2,4). Vergessen wir deshalb bei unseren missionarischen Aktivitäten nie, dass wir gesandt sind, allen das Evangelium zu verkünden, und zwar »nicht wie jemand, der eine neue Verpflichtung auferlegt, sondern wie jemand, der eine Freude teilt, einen schönen Horizont aufzeigt, ein erstrebenswertes Festmahl anbietet« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 14).
Die missionarischen Jünger Christi tragen in ihrem Herzen stets die Sorge um alle Menschen, unabhängig von ihrer sozialen oder auch moralischen Situation. Das Gleichnis vom Gastmahl sagt uns, dass die Diener gemäß der Aufforderung des Königs »alle zusammen[holten], die sie trafen, Böse und Gute« (Mt 22,10). Außerdem sind gerade »die Armen und die Verkrüppelten, die Blinden und die Lahmen« (Lk 14,21), d.h. die Letzten und Ausgegrenzten der Gesellschaft, die besonderen Gäste des Königs. So steht das Hochzeitsmahl des Sohnes, das Gott vorbereitet hat, immer allen offen, denn seine Liebe zu jedem Einzelnen von uns ist groß und bedingungslos. »Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat« (Joh 3,16). Alle, jeder Mann und jede Frau, sind Adressaten von Gottes Einladung, an seiner verwandelnden und rettenden Gnade teilzuhaben. Man muss nur „Ja“ zu diesem unentgeltlichen göttlichen Geschenk sagen, es annehmen und sich von ihm verwandeln lassen, und sich damit bekleiden wie mit einem »Hochzeitsgewand« (vgl. Mt 22,12).
Die Sendung zu allen erfordert das Engagement aller. Es ist daher nötig, den eingeschlagenen Weg hin zu einer ganz synodal-missionarischen Kirche im Dienste des Evangeliums weiterzugehen. Die Synodalität an sich ist missionarisch, und umgekehrt ist die Mission immer synodal. Daher erscheint eine enge missionarische Zusammenarbeit heute sowohl in der Weltkirche als auch in den Teilkirchen noch dringender und notwendiger. Im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils und meiner Vorgänger empfehle ich allen Diözesen der Welt den Dienst der Päpstlichen Missionswerke, die das wichtigste Mittel darstellen, um »die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen und zur tatkräftigen Sammlung von Hilfsmitteln zum Wohl aller Missionen gemäß den jeweiligen Bedürfnissen anzueifern« (Dekret Ad Gentes, 38). Aus diesem Grund sind die Kollekten des Weltmissionstages in allen Ortskirchen zur Gänze für den Universalen Solidaritätsfonds bestimmt, den das Päpstliche Werk für die Glaubensverbreitung dann im Namen des Papstes für die Bedürfnisse aller Missionen der Kirche verteilt. Bitten wir den Herrn, dass er uns führe und uns helfe, eine synodalere und missionarischere Kirche zu sein (vgl. Predigt bei der Abschlussmesse der Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode, 29. Oktober 2023).
Blicken wir schließlich auf Maria, die von Jesus das erste Wunder eben bei einem Hochzeitsfest erwirkte, nämlich zu Kana in Galiläa (vgl. Joh 2,1-12). Der Herr schenkte dem Brautpaar und allen Gästen neuen Wein im Übermaß, ein vorweggenommenes Zeichen des Hochzeitsfestes, das Gott für alle am Ende der Zeit vorbereitet. Bitten wir auch heute um ihre mütterliche Fürsprache für die Sendung der Jünger Christi, das Evangelium zu verkünden. Gehen wir also mit der Freude und der Fürsorge unserer Mutter, mit der Kraft der Zärtlichkeit und der Zuneigung (vgl. Evangelii gaudium, 288), hinaus und überbringen wir allen die Einladung des Königs, des Erlösers. Heilige Maria, Stern der Evangelisierung, bitte für uns!
Rom, Sankt Johannes im Lateran, 25. Januar 2024, Fest der Bekehrung des heiligen Apostels Paulus.
Franziskus