Die Menschen willkommen heißen

Pater Ramon Eguiluz war lange Jahre in Afrika im Einsatz, bevor er im Alter von 77 Jahren nach Kolumbien versetzt wurde. Schwerpunt seiner Arbeit war immer die Tätigkeit als Erzieher.

Seit ich 1979 nach Afrika kam, spielt sich mein missionarisches Leben auf diesem Kontinent ab. Ich habe in zwei Etappen in der Zentralafrikanischen Republik gearbeitet, in der Demokratischen Republik Kongo und zuletzt zwei Jahre lang im Tschad, wo ich eine Gruppe von Comboni-Novizen in der Stadt Sarh begleitet habe.

Im Jahr 2018 wurde ich unerwartet für einen Missionsdienst in Kolumbien angefragt. Es war mir nie in den Sinn gekommen, in Südamerika zu missionieren, aber ich wusste nicht, wie ich Nein sagen sollte, und habe mit großer Ruhe und Gelassenheit zugesagt. Die Mission macht uns verfügbar für alles, was sie ist. Im Alter von 77 Jahren packte ich meine Koffer, um ein neues Kapitel aufzuschlagen. Ich habe Afrika immer geliebt. Die Menschen dort sind betörend, anziehend und fröhlich, sie verstehen es, Beziehungen zu knüpfen, und man fühlt sich dort sehr wohl.

Aber auch in Kolumbien habe ich wunderbare und sehr gastfreundliche Menschen gefunden, mit denen man sofort Freundschaft schließen kann. Sie haben eine sehr weiche und liebliche Sprache und Sprechweise, die mir die Härte bewusst gemacht hat, mit der wir manchmal Spanisch sprechen.

Ich lebe im Viertel Simon Bolivar in der Hauptstadt Bogota und bin der einzige Priester in einer Gemeinschaft, die wir im Comboni-Jargon CIF nennen, das heißt Internationales Zentrum für Brüder, das Akronym F kommt vom italienischen „Fratelli“, das Papst Franziskus mit seiner letzten Enzyklika in Mode gebracht hat. Zurzeit sind nur vier Brüder in Ausbildung: je einer aus Mosambik, Uganda, Peru und dem Kongo.

Der Obere der Gemeinschaft ist ein Zentralafrikaner, Bruder Godfroy-Abel, was sehr wichtig ist, da die meisten der jungen Leute Afrikaner sind. Neben der Eucharistiefeier und anderen Diensten, die einem Priester zustehen, ist meine Aufgabe die eines Ausbilders, ein Begriff, der mir nicht gefällt. Ich bevorzuge das Wort Erzieher. Es geht darum, herauszufinden, was jeder von ihnen innerlich lebt, und ihnen zu helfen, den Reichtum zu entdecken, den sie alle besitzen. In aller Einfachheit kann ich sagen, dass Gott mir die Gabe gegeben hat, mit jungen Menschen umzugehen, von denen ich außerdem immer wieder Neues lerne.

Bei dieser Begleitung beginne ich mit einer sehr einfachen, aber sehr bereichernden Frage: „Wie geht es Dir?“ Und von da an öffnen sie sich nach und nach für den Dialog. Es stimmt, dass wir am Anfang alle unsere Ängste vor denen haben, die uns begegnen werden, aber wenn man ihnen Vertrauen entgegenbringt, erlaubt man jedem, frei auszudrücken, was er wirklich erlebt. Ich versuche, sie aufzunehmen und ihnen zuzuhören, ohne sie zu verurteilen.

Unsere Kongregation besteht aus Missionaren mit zwei verschiedenen, sich ergänzenden Berufungen: Priester und Brüder. In Kolumbien bin ich mir bewusst, dass wir der Berufung der Brüder mehr Aufmerksamkeit schenken müssen, denn wenn sie verschwinden, werden wir dem Charisma des Gründers nicht treu sein.

In unserem Zentrum geben wir der sozialen und theologischen Dimension den Vorrang. Alle Studenten studieren an der örtlichen Universität Javeriana und üben ihr Apostolat unter der afroamerikanischen Bevölkerung aus. Das ist sehr interessant, vor allem für die afrikanischen Brüder. Die Afro-Nachkommen in Kolumbien werden diskriminiert. Obwohl man nicht von soziologischer Unterdrückung sprechen kann, werden sie im Land als Bürger zweiter Klasse angesehen.

Unsere afrikanischen Brüder sind mit dieser Realität konfrontiert. Ich erinnere mich, als mir einer von ihnen sagte: „Wenn ich nach Afrika zurückkehre, werde ich nicht mehr mit der etwas engelhaften Vorstellung gehen, dass wir anders sind. Afrika hat interessante Dinge wie Freude, Gesang, Tanz oder den Enthusiasmus der Menschen, aber ich bin mir bewusst, wo wir stehen, und werde über soziale Gerechtigkeit sprechen müssen, um den Unterdrückungen, die uns binden, zu entkommen.“

Neben der Berufungsarbeit versuche ich, mich auch außerhalb der Gemeinschaft zu engagieren, obwohl das Coronavirus mir viele Wege versperrt hat. Sonntags feiern wir die Eucharistie auf einem Markt. Es ist ein behelfsmäßiger Platz in der Mitte der Stände. Es ist keine Kapelle. Es werden Stühle aufgestellt und jeder, der vorbeikommt, nimmt an der Feier teil.

Ich entdecke auch eine sehr reiche Volksreligiosität, die aber nicht unbedingt zu einem pastoralen Engagement führt. In der Tat ist die soziale und politische Dimension unter den Christen nicht sehr präsent.  Außerdem hat die Kirche hier weiterhin die Form einer Pyramide, als ob die Vision des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass wir alle gleich sind, auch wenn wir unterschiedliche Dienste entwickeln, noch nicht durchgedrungen wäre. Auf jeden Fall fühle ich mich in diesem neuen Kapitel sehr wohl.

Pater Ramon Eguiluz

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