Wie Jesus betete, wissen wir. Er ging auf einen Berg, – das kann real gemeint sein, das kann die Umschreibung einer Meditationsübung sein. Er ging in seine Kammer und betete hinter verschlossenen Türen, im Verborgenen. Und er betete in Gemeinschaft, laut wie beim letzten Abendmahl oder in üblichen festen Gebeten. 1. Im Vaterunser, das uns als `das Gebet Jesu‘ überliefert ist, sind zwei jüdische Gebete enthalten. Die ersten drei Bitten, die Du-Bitten, die sich um das Kommen des Gottesreiches drehen, entstammen dem KADDISCH, einem täglichen jüdischen Gebet, und die letzten vier Bitten, die Wir-Bitten entstammen dem sogenannten `Achtzehnergebet‘, dem Morgengebet der jüdischen Synagoge. Die Zahl der Bitten entspricht der heiligen Zahl sieben.
Bei Matthäus steht das Vaterunser im Zusammenhang mit den Seligpreisungen der Bergpredigt. Es wurde zum Gebet der Urkirche, als sie die Erfahrung machte, dass das Kommen des Reiches Gottes und die Erfüllung der Seligpreisungen auf sich warten ließen. Die christliche Urkirche betete in der jüdischen Tradition und in der festen Überzeugung, dass Gott ihr Gebet erhören wird. Auch die Voraussetzung dafür gehört zum übernommenen Glaubensgut.
Das kirchliche Leben hat im Laufe der Jahrhunderte viele Gebete, Segnungen und Weihen entwickelt. Auch wir dürfen an die Kraft des Gebetes glauben. Wir sollten aber auch an die Voraussetzung für die Erhörung denken. Die Beter sollen sich als Kinder des einen Vaters erweisen; auf Gottes Wort hören und daran festhalten; Gottes Willen tun und einander vergeben. Dann kann die Gottesherrschaft anbrechen.