Zum Tod von Pater Eduard Falk

Zum Tod von Pater Eduard Falk

Wenn Pater Falk in Peru seinen Geburtstag feierte, stimmte er immer sein Lieblingslied an: „Yo quiero tener un millión de amigos, para así mas fuerte poder cantar“ (Ich hätte gern eine Million Freunde, um so umso kräftiger singen zu können). Freundschaftliche, ja liebevolle Beziehungen zu den Leuten, auch zu seinen Mitbrüdern, waren ihm ein besonderes Anliegen. Nie vergaß er, auch für die kleineste Aufmerksamkeit zu danken. Das war ein Grundzug seines Charakters.

Geboren ist er am 15. August 1935 in Terenten im Pustertal in Südtirol in einer kinderreichen Bauernfamilie. Heute ist Terenten ein begehrter Urlaubs- und Skiort. In der Zeit seiner Kindheit war das anders. Die Lebensbedingungen waren hart. Eduard Falk war einer der ersten Buben, die in das 1946 wieder eröffnete Seminar „Xaverianum“ eintraten. Nach der Matura 1956 und dem anschließenden Noviziat in Bamberg studierte er an der Theologischen Hochschule Brixen bis zur Priesterweihe am 29. Juli 1961 ebenfalls in Brixen. Bezeichnend sein Primizspruch: „Geh nur, wohin ich dich sende, verkünde, was ich dich heiße, fürchte dich nicht, ich bin ja bei Dir.“

Die Hausgemeinschaften entwickelten sich in diesen Jahren sehr gut. Der zunehmende Wohlstand in den Nachkriegsjahren ermöglichte es, die Häuser zu renovieren und neue Niederlassungen zu eröffnen. Zu all dem brauchte man junge Leute. So wurde auch Pater Eduard zunächst beauftragt, in seiner Heimat Südtirol um Spenden und vor allem um missionarische Berufe zu werben. Einige Mitbrüder, die heute noch leben und arbeiten, sind auf seine Werbung hin zu den Comboni-Missionaren gekommen.

Nach fünf Jahren, 1967, erhielt er seine Sendung nach Peru. Als einer der Letzten machte er die lange Reise noch mit dem Schiff. Das hatte auch einen Vorteil und nicht nur, weil er so einige Kisten mit notwendigen Sachen auch für andere Mitbrüder billiger mitnehmen konnte. Die wochenlange Überfahrt lässt einem jungen Missionar bewusst werden, dass er sich auf eine ganz neue und andere Kultur und Lebensweise einlassen muss, als die ihm bisher geläufige. Das gilt auch für religiöse Erwartungen und Überzeugungen, auch für die Art, wie die Menschen ihren Glauben leben, für das, was ihnen wichtig und weniger wichtig ist. Pater Eduard setzte sich Zeit seines Lebens intensiv mit solchen Fragen auseinander.

Kurz vor seiner Ankunft in Peru war den Comboni-Missionaren dort ein neues Arbeitsfeld anvertraut worden: die neu formierte Prälatur Tarma im zentralen Bergland von Peru mit zahlreichen Städten und Orten zum Teil auf mehr als 4000 Metern Höhe wie zum Beispiel die Minenstadt Cerro de Pasco in 4500 Meter Höhe. Dort zu leben ist auch für einen Bergbauernsohn aus Südtirol eine Herausforderung. Nach zehn Jahren, zunächst in Tarma, wurde er in diese Stadt gesandt, die letzten Jahre als Generalvikar. Hier und in diesem Amt, so scheint es, gelangte er an seine Grenzen. Er schrieb an den Generaloberen: „In meinem Amt fühle ich mich recht unwohl. Obwohl ich mir immer wieder sage, ‚Mach dich nicht so wichtig‘, fühle ich mich der Sache nicht gewachsen.“

Das mag auch der Anlass gewesen sein, dass es der Ordensleitung angebracht schien, ihm nach fünfzehn Jahren, 1982, eine Zeit der Abwechslung in seiner Heimat Südtirol zu geben, um etwas Abstand zu gewinnen. Es half ihm auch, sich nicht ganz von dem zu entfremden, was in Europa geschah. Die Wiedervereinigung der beiden getrennten Kongregationen war kurz zuvor vollzogen worden. Die Kongregation und überhaupt die Kirche insgesamt erlebten damals einen tiefgehenden Wandel. Pater Eduard verbrachte diese Jahre bis 1988 als Hausoberer der großen Gemeinschaft in Brixen.

In diesem Jahr kehrte er nach Peru zurück, diesmal nach Tarma. Dort war inzwischen der Terror der Guerilla des „Sendero Luminoso“ auf seinem Höhepunkt. Pater Eduard bekam ihn auch gleich zu spüren und hatte ein Jahr später ganz großes Glück: Als er zusammen mit Pater Hilmar Gulba unterwegs war, überfuhren die beiden mit dem Auto eine in der Straße vergrabene Mine, die aber zum Glück nicht explodierte. Von den Terroristen waren sie dabei beobachtet und angehalten worden. Als diese merkten, dass es nicht die erwarteten Regierungsvertreter, sondern katholische Priester waren, verschonten sie die beiden. Zwei der Terroristen gingen dann zu der Stelle, wo sie die Mine vergraben hatten, um zu sehen, warum sie nicht hochgegangen war. Da explodierte sie und tötete die beiden Terroristen. Ohne ihr Auto, aber heil, konnten Pater Falk und Pater Gulba nach Tarma zurückkehren.

Die folgenden etwas mehr als dreißig Jahre war Pater Falk zuerst in Tarma selbst und dann in der großen Landpfarrei – in Deutschland würde man sagen Seelsorgeeinheit – Palca mit etwa 12.000 Einwohnern, verteilt auf zahlreiche Orte in den Bergen der peruanischen Anden. Mehrere Jahre war er dort aktiv mit Pater Hilmar Gulba und Pater Hans Hieber. Palca kann man als eine Art Modellpfarrei bezeichnen. In den Orten gibt es zahlreiche zivile und auch kirchliche Basisgruppen, unter ihnen vor allem die „Club de Madres“. Pater Falk und seine Mitbrüder förderten diese nach Kräften. Beigetragen dabei hat dazu auch eine Pfarreipartnerschaft mit der Pfarrei Rheinstetten bei Karlsruhe. Es war die erste Partnerschaft dieser Art mit Peru der Diözese Freiburg, begonnen schon vor über fünfzig Jahren, noch bevor Pater Eduard dazu kam.

Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war die Caritas, für die er auch zuständig war. Man kann sich vorstellen, dass das in einem Umfeld, in dem es vielen Familien an allem fehlt, eine Herausforderung war. Wer um seine Hilfe anhielt, erhielt auch etwas, und wenn es nur ein gutes Wort war. Er hat auch nie negativ über jemand gesprochen. Ein Freund, der ihn gut kannte, meinte, wenn Pater Eduard in Palca gestorben wäre, hätte er die Beerdigung eines Heiligen erhalten. So mochten ihn die Leute.

„Manchmal gönnte er sich auch Zeit“, schrieb ein Mitbruder, „mit seinen Mitbrüdern Karten (Tarock) zu spielen. Den Mittwochnachmittag wollten wir uns dafür freihalten. Das war immer ein schöner Nachmittag. Es ging oft bis tief in die Nacht hinein“, erinnert er sich.

2021, mit inzwischen 86 Jahren, kehrte Pater Eduard zurück, nicht nach Südtirol, sondern nach Ellwangen, weil dort die nötigen Hilfen für seine inzwischen doch spürbaren Beeinträchtigungen gegeben waren. Mit wachem Geist und unveränderter Freude am Lesen lebte er dort, bis eine Krebsoperation anstand. Diese hielt er nicht mehr für notwendig. So wurde er auf eigenen Wunsch vom Krankenhaus gleich ins Hospiz verlegt, wo er in den ersten Morgenstunden des 1. Januar 2024 starb.

Pater Reinhold Baumann

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