„Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist“ (V. 36). Das ist keine Floskel, sondern eine Lebensaufgabe. Um diesen Ausdruck gut zu verstehen, können wir ihn mit dem parallelen Ausdruck im Matthäusevangelium vergleichen, wo Jesus sagt: „Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (5,48). In der sogenannten Bergpredigt, die mit den Seligpreisungen beginnt, lehrt der Herr, dass die Vollkommenheit in der Liebe besteht, in der Erfüllung aller Gebote des Gesetzes. In dieser Perspektive macht Lukas deutlich, dass Vollkommenheit barmherzige Liebe ist: Vollkommenheit bedeutet, barmherzig zu sein.
Ist ein Mensch, der nicht barmherzig ist, vollkommen? Nein! Ist ein Mensch, der nicht barmherzig ist, gut? Nein! Güte und Vollkommenheit sind in der Barmherzigkeit verwurzelt. Gewiss, Gott ist vollkommen. Wenn wir ihn jedoch als solchen betrachten, wird es für die Menschen unmöglich, nach dieser absoluten Vollkommenheit zu streben. Andererseits können wir, wenn wir ihn als barmherzig vor Augen haben, besser verstehen, worin seine Vollkommenheit besteht, und wir werden angespornt, wie er zu sein, voller Liebe, Mitgefühl und Barmherzigkeit.