Gedanken zum Sonntag – Loslassen (Mk 10,17-27)

Loslassen oder frei werden von Einengendem oder Blockierendem ist nicht nur eine religiöse Aufgabe. Schauen wir auf die augenblickliche politische Situation. Da müssen Parteien von ihren eigenen Programmen Abschied nehmen, wenn es zu einem gemeinsamen Handeln kommen soll. Gewerkschaften müssen mit den Arbeitgeberverbänden Kompromisse aushandeln, um zu einem guten Tarifabschluss zu kommen. Auch Bischöfe müssen lernen ihre Macht mit den Gläubigen durch Mitbestimmung zu teilen und auch der Papst kann nicht in einer Weltkirche alle unterschiedlichen Lebenssituationen kennen, um der Wirklichkeit und den Gläubigen gerecht zu werden.

Heute fragt ein Jugendlicher Jesus nach einem guten oder gelungenen Leben. Jesus stellt dieses „gut“ sein gleich in Frage, denn das Etikett gut passt nur für Gott, nicht für uns, noch für unsere Lebensentwürfe. Gutes Handeln kennt jeder Jude schon von Kindesbeinen an, aufnotiert in den 10 Geboten. Macht dies glücklich oder wenigstens zufrieden? Der junge Mensch ist es nicht.

Ethisches Handeln nach den Geboten ist gewiss lobenswert und ist die Basis unseres Zusammen-lebens. Wo finde ich dann das Lebensglück? „Jesus blickte ihn an und gewann ihn lieb.“ (Mk 10,21) Darin liegt der Lebenswert. Es geht darum, in den Blick zu nehmen, was das Leben wertvoll macht. Dies ist, was Jesus vorlebte, den Mitmenschen wert zu schätzen, ihm zu sagen, es ist gut, dass es Dich gibt, Dich ganz einmalig. Dieses Anschauen gleicht dem Wirken Gottes, der uns angeschaut hat und nach seinem Bilde geformt hat. Gottes Blick auf uns ist ein Blick aus / in Liebe, die er über den geliebten Sohn an uns weiter geschenkt hat. Diesen „coup de foudre“ – Blitzschlag nennen die Franzosen das Überwältigt werden von emotionaler Liebe, das unser Leben verändert auf einen Schlag. Jesus wusste, dieser junge Mensch braucht die Befreiung von allen familiären Bindungen und Verpflichtungen, um Liebe leben zu können.

Wir sehen dies an Franziskus, den irdischer Besitz eher gehemmt hat als gefördert auf dem Weg der Christusnachfolge und sich von diesen Fesseln befreit hat. Nicht für jeden Menschen gilt dieser Weg zum Himmelreich. Es gibt auch materiell Arme, die durch Habgier und Neid gefesselt sind und nicht zur Freiheit der Kinder Gottes finden. Daran erkennt man, dass weder unverdienter Reichtum noch unverschuldete Armut Wege zum Glück sind.

Betrübt ging der junge Mensch weg, denn er war sehr reich. Doch Vorsicht! Jesus schlägt ihm Nachfolge aus Liebe vor! Im Suchen, Finden und Umsetzen des Reiches Gottes liegt für Jesus der Weg zum ewigen Leben. Dies ist ein Schatz, der über das irdische Leben hinaus geht mit Ewigkeitswert und daher lohnenswert ist.

Charlotte Sachs
6.10.2021

Please follow and like us:
error
fb-share-icon

Schreibe einen Kommentar