Während meines Studiums und meiner Tätigkeit in Innsbruck habe ich in den Ferien und der Freizeit schöne Bergtouren gemacht und einige Berggipfel bestiegen. Das Bergkreuz am Gipfel zu erreichen war das Ziel einer Wanderung. Die Berge haben mir gezeigt, dass das Lebens wie Bergsteigen ist: man hat ein Ziel zu erreichen – aber nie allein; das Schwere gehört dazu -aber die Freude erfüllt das Ganze. Das Gipfelkreuz an jeder Bergspitze ist nicht nur der Treff- und Endpunkt, sondern immer ein neuer Beginn.
In der Pfarrei von Carapira (Mosambik) gibt es 94 kleine christliche Gemeinschaften. Viele von ihnen liegen am Fuß kleiner Berge. Es ist nicht üblich, dort hinaufzusteigen, und die Leute sagen, dass es dort nichts zu suchen gibt. Eines Tages schlug ich einer christlichen Gemeinschaft vor, ein Kreuz als Zeichen der Auferstehung und des Lebens an die Bergspitze zu setzen und einen Kreuzweg von der Kapelle bis ganz hinauf vorzubereiten, um die Liturgie des Karfreitages zu feiern. Und das sollte nicht nur eine Aufgabe für die Katholiken sein, sondern für alle Menschen des Dorfes. Christen und Nicht-Christen sollten dabei einbezogen werden. Mein Vorschlag wurde angenommen, und alle Menschen des Dorfes von Pwepwe, unter der Leitung der Katholiken, haben alles vorbereitet. So haben wir am Karfreitag 2018 das Kreuz des Friedens geweiht. Das Besteigen des Berges Pwepwe war nicht leicht, aber die Motivation und die Hilfsbereitschaft der Jugend waren so groß, und mit ihrer Hilfe konnten alle die Liturgie im Schatten des Gipfelkreuzes feiern.
Wir alle erfahren das schwere Besteigen eines Berges als ein Bild unseres Lebens: mühsam, manchmal allein und verlassen, aber oft mit Hilfe und Unterstützung der Familie und anderer Menschen man kann leben. Jede Person hat ihr Lebensziel und tut alles, um es zu erreichen. Allein scheint es leicht zu sein, aber miteinander und füreinander ist es anders. Das Erblicken eines weiteren Horizontes ermöglicht weiter zu träumen, den Alltag und die Zukunft mit Zuversicht und Vertrauen anzunehmen und zu erfahren, dass man nie allein ist. Gott ist immer mit und bei uns!
Nach dieser schönen Erfahrung wollten andere kleine christlichen Gemeinschaften ihre Kreuze haben. Und so ist es geschehen: vier weitere Gemeinschaften haben ihre Kreuze an Bergspitzen ihrer Gegend aufgestellt. Jedes Kreuz hat eine Bedeutung: Hoffnung, Versöhnung, Leben und Frieden.
Diese Orte haben sich innerhalb kurzer Zeit in Pilgerorte für persönliche und familiäre Versöhnung verwandelt. Verschiedene Gruppen aus der Pfarrei Carapira pilgern zu diesen Orten, um einen Besinnungstag zu erhalten, ihre Patrone zu feiern, eine Fortbildung zu gestalten. Auch nicht christliche Menschen pilgern gern zu diesen Orten, um Frieden und Versöhnung zu suchen, um Kraft für ihr Leben zu erbitten und sich bei Gott zu bedanken.
Das Schönste bei dieser Erfahrung ist für mich, dass wir alle im Zeichen des Kreuzes einen Platz haben und es zugleich eine Quelle lebendiger Kraft für das Leben ist. Als Pater Josef Zambonardi im Jahr 1947 die Pfarrei von Carapira gründete, schrieb er in sein Tagebuch: „Das Kreuz dominiert die Mission; das Kreuz schützt die Mission“. Die Schwierigkeiten aller Arten und Seiten waren unheimlich, und heutzutage sind sie nicht weniger geworden. Die Zuversicht am Leben und die Widerstandsfähigkeit, Eigenschaften der Kleinen und der Armen, haben ihre Quelle in diesem Gott, der alles tut für die Güte der Menschheit.
Missionar sein heute heißt, gemeinsam zu pilgern und sich von den anderen inspirieren lassen.
Pater Xavier Dias
Pater Xavier Dias aus Portugal war insgesamt über zwanzig Jahre in Mosambik im Einsatz. Sieben Jahre arbeitete als Leiter des Scholastikats in Innsbruck, wo er auch studiert hat. Seit 2022 ist er in seinem Heimatland tätig.