Kampagne zum Einsatz gegen Menschenhandel

Am 22. Juli hat das globale Netzwerk gegen Menschenhandel Talitha Kum – bestehend aus mehr als dreitausend katholischen Ordensschwestern und Freunden – seine Kampagne CareAgainstTrafficking anlässlich des UN-Welttags gegen Menschenhandel gestartet.

Talitha Kum International, 2009 von der UISG (Internationale Vereinigung der Generaloberinnen) gegründet, koordiniert 50 Netzwerke in über 90 Ländern. Im Jahr 2020 betreuten Talitha Kum-Netzwerke weltweit 17.000 Überlebende des Menschenhandels und boten sichere Unterkünfte, Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Unterstützung beim Zugang zu Justiz und Entschädigung sowie medizinische und psychosoziale Hilfe. Im gleichen Zeitraum profitierten fast 170.000 Menschen von Präventions- und Sensibilisierungsmaßnahmen, die von Talitha Kum organisiert wurden.

Auf dem Weg der Fürsorge

Die Kampagne „Care Against Trafficking“ will zeigen, dass Fürsorge bei jedem Schritt auf dem Weg zur Bekämpfung des Menschenhandels einen Unterschied bedeuten kann: Fürsorge für die Gefährdeten, Fürsorge für die Opfer und Fürsorge für die Überlebenden. Aus ihrer Erfahrung vor Ort wissen die katholischen Ordensschwestern, dass langfristige, auf Fürsorge ausgerichtete Ansätze das Risiko verringern können, dass Überlebende erneut Opfer von Menschenhandel und immer wieder ausgebeutet werden. Sie sagen jedoch, dass diese Ansätze eine ganzheitliche Unterstützung auf institutioneller Ebene erfordern – etwas, das die Schwestern allein nicht leisten können.

Die Comboni-Missionsschwester Gabriella Bottani, Internationale Koordinatorin bei Talitha Kum, sagt: „Wir rufen alle Menschen guten Willens auf, zusammenzukommen und die systemischen Ursachen des Menschenhandels anzugehen, um die Wirtschaft des Menschenhandels in eine Wirtschaft der Fürsorge zu verwandeln. Insbesondere rufen wir die Regierungen dazu auf, sich zu einer langfristigen Unterstützung der Überlebenden zu verpflichten, einschließlich des Zugangs zu qualitativ hochwertiger Bildung, des Zugangs zu Arbeitserlaubnis und Arbeitsmöglichkeiten, des Zugangs zu Gerechtigkeit und Entschädigung sowie zu medizinischer und psychosozialer Unterstützung.“

Die Stärke der Schwestern

Angetrieben von der Kraft ihres spirituellen Engagements haben die Talitha-Kum-Schwestern Zehntausende von Menschen dabei unterstützt, den Fesseln des Menschenhandels zu entkommen und einen Weg zu finden, um wieder ein Leben in Freiheit und Würde aufzubauen.

Schwester Patricia Murray, (Institute of the Blessed Virgin Mary IBVM), die Geschäftsführerin der UISG, sagt: „Talitha Kum setzt sich nicht nur dafür ein, gefährdete und ausgegrenzte Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu stärken, sondern auch die Systeme, die ihre Unterdrückung und Ausbeutung ermöglichen, zu eliminieren.

 

 

 

 

 

Einige Betroffene, denen von Talitha Kum geholfen werden konnte, berichten von ihren Erfahrungen.

Eine Familie aus Pakistan

Meine Frau und ich führten ein glückliches Leben im Dorf mit unseren fünf Kindern, drei Jungen und zwei Mädchen. Wir hatten ein kleines Haus, arbeiteten den ganzen Tag auf den Feldern und verdienten genug, um uns zu ernähren. Innerhalb weniger Tage wurde unser Leben komplett auf den Kopf gestellt.

Es geschah, als ein Chudery (einer der Dorfvorsteher, der befugt ist, wichtige Entscheidungen für alle Dorfbewohner zu treffen) zusammen mit dem Besitzer der Ziegelei zu unserem Haus kam und mir anbot, dort zu arbeiten. Wir könnten mehr Geld verdienen, und unsere Kinder würden zur Schule gehen. Nachdem ich mit meiner Frau gesprochen hatte, akzeptierte ich. Zwei Jahre lang arbeiteten wir in der Ziegelei und erhielten fast keinen Lohn. Wir waren nicht in der Lage, unseren täglichen Bedarf zu decken. Deshalb haben wir letztes Jahr beschlossen, dort nicht mehr zu arbeiten.

Der Eigentümer verklagte uns, verlangte eine Entschädigung von 195.000 Rupien (1250 US-Dollar) und behauptete, wir hätten einen Kredit in gleicher Höhe, aber das war alles falsch. Er schickte regelmäßig seine Schergen zu meinem Haus. Manchmal rief er an und beleidigte mich, drohte, meine Kinder lebendig zu verbrennen und meine Töchter zu entführen.

Sieben Personen aus meiner Familie arbeiteten zwölf Stunden am Tag am Brennofen. Wir nahmen die gebrannten Ziegel heraus und lagerten sie. Wir hatten Verbrennungen ersten Grades am ganzen Körper, aber keine richtige Versorgung durch einen Arzt. Die Hände meiner Kinder sind mit Brandwunden übersät. An manchen Tagen können sie wegen des Juckreizes und der Schmerzen ihre Hände nicht einmal zum Essen benutzen. Frauen und Mädchen haben die meisten Probleme am Ziegelbrennofen. Es gibt keine ordentlichen Bäder und Toiletten, keine Privatsphäre.

Der Pfarrer und die Nonnen in dieser Gegend besuchten die Ziegelei regelmäßig. Wegen der Drohungen des Besitzers wagten wir nicht, ihnen von unserer Situation zu erzählen, aber eines Tages fassten wir Mut und berichteten ihnen unser Geschichte. Meine Frau und ich brachen in Tränen aus: Wir hatten an diesem Tag nicht einmal etwas zu essen.

Der Priester gab uns sofort Essen, nahm uns in die Gemeinderäume mit und bot uns eine Arbeit an: Ich kochte und putzte das Haus, während meine Frau im Kloster arbeitete. Unsere Kinder konnten endlich zur Schule gehen. Der Pfarrer traf auch den Besitzer und sorgte mit Hilfe des Ministers für Menschenrechte dafür, dass unser Fall bezüglich des falschen Kredits zu den Akten gelegt wurde. Es gelang ihm, viele Kinder zu befreien, die zur Arbeit in der Ziegelei gezwungen worden waren, und in der Schule anzumelden.

Jetzt haben meine Frau und ich haben einen Job, unsere Kinder bekommen eine gute Ausbildung. Wir haben Essen und schaffen es, ein anständiges Leben zu führen, dank Gott, den Vätern, den Ordensschwestern und dem Minister für Menschenrechte, der uns aus der Ziegelei geholfen hat. Wir vergeben denen, die uns Unrecht getan haben. Es ist ihnen zu verdanken, dass wir all dies erhalten haben.

Carmen aus Mexiko

Ich komme aus einer sehr armen mexikanischen Familie. Da ich arbeiten wollte, um meinen Eltern zu helfen, nahm ich, obwohl ich noch ein Kind war, gerne das Angebot meiner Schwägerin an, auf die Kinder einer Bekannten in einer anderen Stadt aufzupassen.

Als ich ankam, zwangen sie mich, als Prostituierte zu arbeiten und drohten, meiner Familie etwas anzutun, wenn ich mich ihnen widersetzte. Ich war nicht allein, es war noch ein anderes Mädchen da, ebenfalls minderjährig. Wir wurden verprügelt und vergewaltigt. Meinen Eltern wurde gesagt, dass ich tot sei. Eines Tages hatte ich die Möglichkeit zur Flucht, als es in der U-Bahn ein großes Durcheinander gab und ich mich in der Menge verstecken konnte. Ich bat eine Frau um Hilfe, die mich zu den Ordensschwestern von Talitha Kum brachte, nachdem sie sich meine Geschichte angehört hatte.

Jetzt bin ich an einem sicheren Ort, stehe in ständigem Kontakt mit meiner Familie und habe die Sekundarschule mit Auszeichnung abgeschlossen. Ich bin 17 Jahre alt, und es ist nicht leicht für mich, die Gewalt des Menschenhandels zu verarbeiten. Ich bin dankbar für die neue Chance, die ich bekommen habe. In dem Moment, als die Schwestern mir die Tür ihres Hauses öffneten, war es, als würde der Herr zu mir sagen: „Komm. Die Zeit ist gekommen, meine Tochter“.

  Kate aus Nigeria

Mein Name ist Kate und ich bin 14 Jahre alt. Ich lebte mit meinen Eltern und zwölf Geschwistern in dem Dorf Uka-Ita in Nigeria. Meine Eltern bestellten das Land, die einzige Lebensgrundlage für meine große Familie. Ich musste die Schule im fünften Jahr der Grundschule abbrechen, um zum Lebensunterhalt meiner Familie beizutragen. Eines Tages kam meine Tante, die Schwester meines Vaters, aus der Stadt Lagos, bot mir an, mich in ihre Obhut zu nehmen und versprach, mich in der Schule anzumelden. Ich würde ihr bei der Hausarbeit helfen. Aber sie hat nichts von dem getan, was sie versprochen hat.

Sie führte mich in die Welt der Prostitution ein, wo ich sexuell ausgebeutet wurde. Dann brachte sie mich in ein Bordell in Egbeda. Ich glaube, es war meine Tante, die die Männer, die ich dort traf, mitbrachte. Ich wollte keine Prostituierte sein, aber wenn ich protestierte oder mich weigerte, sperrte mich meine Tante in ein Zimmer im Bordell und gab mir nur einmal am Tag zu essen.

Nach zwei Monaten brachte sie mich nach Aboru, zu ihrem Haus, wo sie mich körperlich angriff. Eines Tages, nachdem sie mich verprügelt hatte, bat sie mich, eine Besorgung zu machen. Es gelang mir zu entkommen und zum Haus eines Onkels zu gehen. Der Fall wurde einer Menschenrechtsorganisation gemeldet, die die Polizei informierte. Meine Tante wurde wegen Menschenschmuggels verhaftet.

Rosa aus Peru

Als ich 19 Jahre alt war, wollte ich einen Job finden, um meine Ausbildung in der Gastronomie zu finanzieren. Ich träumte davon, Chefköchin zu werden und den Reichtum meiner Kultur durch das Kochen aufzuzeigen. Ich fand ein Jobangebot im Internet in einem Restaurant, das ein gutes Gehalt versprach, und bewarb mich noch am selben Tag, um die Chance nicht zu verpassen.

Zur verabredeten Zeit kam ich an den Ort, wo das Vorstellungsgespräch stattfinden sollte, aber stattdessen setzte man mich in ein Auto, und nach vielen Stunden Fahrt fand ich mich in einer anderen Stadt wieder, weit weg von zu Hause. Sie nahmen mir meine Dokumente ab, und der Vermittler übergab mich an den Besitzer des Restaurants. Ihr Plan war es, mich am Ende der Pandemie aus dem Land zu bringen, um mich sexuell auszubeuten.

Ich nutzte die Gelegenheit, als der Mann, der mich bewachte, abgelenkt war, und schaffte es, Kontakt mit meiner Familie aufzunehmen. Die Polizei griff schnell ein und verhaftete den Besitzer des Restaurants. Jetzt geht es mir besser und ich erhole mich, auch dank der Schwestern von Talitha Kum, die mich begleiten und mir helfen, meinen Traum zu verwirklichen.

Jessie aus Uganda

Ich arbeitete in einer Chemiefabrik in Uganda, doch nachdem ich an einer Allergie gegen die verwendeten Materialien erkrankt war, musste ich meinen Job aufgeben. Ich erstand einen kleinen Kiosk, um Essen an Passanten zu verkaufen. Alles lief gut, bis ich von einer Agentur betrogen wurde, die mir einen Job im Nahen Osten anbot.

Ich dachte, mir böte sich eine große Chance, aber stattdessen fand ich mich als Opfer dessen wieder, was man „häusliche Sklaverei“ nennt. Ich arbeitete unermüdlich und erhielt weder Essen noch eine Entschädigung. Alles, woran ich dachte, war, aus dieser schrecklichen Situation zu entkommen. Bei einem ersten Fluchtversuch wurde ich von einem Taxifahrer vergewaltigt, den ich um Hilfe gebeten hatte. Aber aus Verzweiflung lief ich wieder weg, und zum Glück begleitete mich der andere Taxifahrer zur Botschaft.

Das war der Beginn eines neuen Lebens: Ich kam in ein Haus von Nonnen, die sich um mich kümmerten und mir Essen, Kleidung und Würde gaben. Eines Tages fragte ich die Nonnen, ob ich wieder nach Hause gehen könnte und dachte an das Glück, das ich hatte, als ich meinen kleinen Kiosk betrieb. Die Schwestern halfen mir, meine Dokumente zu bekommen und Kontakt mit meinem Heimatland aufzunehmen. Heute lebe ich in Uganda, und die Schwestern helfen mir weiterhin bei meiner Arbeit und der sozialen Wiedereingliederung.

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