Liebe hört niemals auf (7. So. d. Osterzeit – Joh 17, 20-60)

Auf dem alten Friedhof von Roermond in Holland befindet sich eine bemerkenswerte Grabstätte. Dort fand im Jahre 1888 ein gemischtkonfessionelles Ehepaar seine letzte Ruhestätte. Der Mann war katholischen Glaubens, seine Frau Jüdin. Weil es aus religiösen Gründen undenkbar war, dass die beiden Eheleute im selben Grab beigesetzt werden, bestatteten die Kinder der beiden ihre Eltern direkt an der Friedhofsmauer, den Vater innerhalb, die Mutter direkt dahinter, außerhalb des Friedhofs. Die beiden Grabsteine gestalteten sie so hoch, dass sie die Friedhofsmauer überragen und sie mit zwei ineinander gelegten Händen verbinden. Heute noch halten die beiden Hände aus Marmor über der Mauer zusammen, was vor über hundert Jahren aus religiösen Gründen getrennt werden sollte.

Zugegeben: Mit Idealen tun wir uns leichter als mit Krisen. Vorschriften sind besser zu verwalten als die täglichen Spielarten des Lebendigen. Mit Gesetzen und Verordnungen konnte aber noch niemand in der Tiefe seines Herzens berührt und getröstet werden. In Roermond belegt ein Grabstein, dass Konventionen, gesellschaftliche Normen und religiöse Vorschriften niemals das letzte Wort beanspruchen dürfen. Der Volksmund sagt: „Liebe macht blind!“ Der Grabstein in Roermond sagt: „Liebe macht erfinderisch“, sie ist stärker als der Tod. Liebe hört niemals auf.

Aus: Arnold Mettnitzer, Was ich glaube. Überlegungen & Überzeugungen. Mit Bildern von Gottfried Mairwöger. Styria Verlag, Wien Graz Klagenfurt 2015

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